"Ich mag Dinge tun, an denen mein Herz hängt".
Der 28. Juli 2010 war für die im
sechsten Monat schwangere
Kammersängerin Diana Damrau,
die von Würzburg aus eine
Bildernbuchkarriere in die Welt
startete, ein langer Abend. Zum
Ende der Spielzeit des Mainfranken
Theaters ehrte die Stadt die
Starsopranistin mit dem Kulturpreis
2010 in dem Theater, in dem
für sie mit der Rolle der Barbarina
(„Figaros Hochzeit“ von Mozart)
1995 einst alles begann. Nach der
Kulturpreisverleihung an Diana
Damrau sowie der Verleihung dreier
Kulturförderpreise (über die wir
in den nächsten Leporello-Ausgaben
berichten werden) wollte die
Sängerin, die an der Würzburger
Musikhochschule studierte, für
ihr Würzburger Publikum natürlich
singen. Begleitet von GMD
Jonathan Seers am Flügel gab es
unter anderem die Schlussarie der
Amina aus „La sonnambula“ von
Bellini und einen Titel aus „My
Fair Lady“ (Ich hätt´getanzt heut
nacht“), ihrem ersten Musical im
Würzburger Stadttheater, in dem
sie damals die Eliza gab. Und parallel
dazu schon die Königin der
Nacht sang, die zu einer Paradepartie
für sie werden sollte. Als
„Königin der Farben“ bezeichnete
Dr. Tebbe Harms Kleen (von 1988
bis 1999 Intendant des Würzburger
Stadttheaters) die kleine große
Sopranistin Damrau in seiner Laudatio
an diesem Abend, in der er
an zahlreiche Begebenheiten des
„fleißigen Kindes“ in Würzburg
erinnerte. Daran, dass sie immer
mehr wollte, „ihre intensive Rollengestaltung,
ihr Temperament,
ihre Schüchternheit, gepaart mit
Koketterie und den Zauber ihres
blitzenden Soprans“.Und so waren
dann auch die Worte der Sopranistin,
die sowohl an der Mailänder
Scala als auch in der Met
und Carnegie Hall in New York
schon gesungen hat, als sie sich
für die Laudatio Kleens und den
Kulturpreis der Stadt Würzburg
vor dem fast vollbesetzten Mainfranken
Theater bedankte. „Keck,
unmittelbar, ernsthaft, sicher und
authentisch“, so wie auch ihr ehemaliger
Intendant die mit dem
Titel „Sängerin des Jahres 2008“
ausgezeichnete Damrau kurz zuvor
charakterisiert hatte. Und wer
jetzt dachte, der Weltstar Diana
Damrau rauscht von der Bühne
und ward nicht mehr gesehen,
der irrt gewaltig. Nach drei Stunden
Preisverleihungen im Großen
Haus ließ sie sich im Oberen Foyer
des Theaters feiern und herzen
und nahm sich für alle und jeden
Zeit, ob Freunde oder ehemalige
Kollegen, Offizielle oder das Team
vom Fernsehsender ARTE, das sie
auf Schritt und Tritt begleitete,
wegen einer Reportage, die Ende
des nächsten Jahres ausgestrahlt
werden soll.
Nach zahlreichen Autogrammen
war mittlerweile fast Mitternacht
und immer noch war der
„Abend in Würzburg“ für Diana
nicht zu Ende, denn sie hatte ja
noch Leporello ein Interview versprochen,
das wir tatsächlich um
kurz vor 0 Uhr ganz allein, fern
des Trubels, der immer noch im
ganzen Theater herrschte, verborgen
in der Dunkelheit des großen
Hauses in Reihe 1 und 2 führten.
Man merkte ihr die Strapazen des
heutigen Tages kaum an und sie
war bezaubernd, natürlich und
offen wie eh und je, als wir über
Kunst, Kinder und Karriere plauderten. Auf
meine Frage, ob einen nach so einen Abend in
Würzburg die Vergangenheit einholt, antwortete
die frisch gebackene Ehefrau: „Ja, sehr!
Es ist ein absoluter „flash back“. Schon als ich
mit dem Zug nach Würzburg einfuhr, an Veitshöchheim
vorbei, wo ich früher gewohnt habe,
da hat sich das „Würzburg-Gefühl“ sofort eingestellt!“
Allerdings zog es sie bald in die große,
weite Welt: Nach nur zwei Jahren Festengagement
in Würzburg, nach Mannheim und
Frankfurt, von dort aus nach Berlin, Dresden,
Hamburg und München, wo sie an der Bayerischen
Staatsoper 1999 ihr Operdebüt als
Zerbinetta gab. Bereits ein Jahr später sang
sie die Königin der Nacht in Wien und wieder
ein Jahr später gastierte sie bei den Salzburger
Festspielen als Najade in Strauss´ „Ariadne auf
Naxos“. Ihr England-Debüt als Königin der
Nacht im Covent Garden gab sie 2003 und wieder
zwei Jahre später ihr MET-Debüt als Zerbinetta.
Kann man so einen raketenartigen Aufstieg
planen, wollte ich von Diana wissen: „Oh
mein Gott, nein! Es war nicht mein Plan, Weltkarriere
zu machen. Ich wollte einfach meine
Arbeit gut machen. Ich hab´ an mir gefeilt, immer
hart an dem Talent, das mir mitgegeben
wurde, gearbeitet und hatte Glück – ohne das
geht es auch nicht. Ich habe in jedem Stadium
meiner beruflichen Laufbahn immer mein Bestes
gegeben und das, was ich gerade tat, als
das Wichtigste empfunden.“
Im Hier und Jetzt leben, das hat Diana Damrau
auch am Theater gelernt. Wie heißt es so
schön, der wichtigste Mensch ist der, mit dem
du es gerade zu tun hast, und die wichtigste
Stunde, ist jetzt. Eine Binsenweisheit, die nicht
nur für die Theaterbühne gilt, sondern auch
für die Bühne des Lebens. Daher ist sich die
Opersängerin und angehende Mama Damrau
bewusst, dass das Kind, das sie nun erwartet,
ihr Leben verändern wird: „Ich bin ja schon
seit einem halben Jahr mit Verstärkung unterwegs“,
erzählt Diana lachend, „und ich denke,
wenn ich den Kleinen dann im Oktober im
Arm halte, wird er das Wichtigste für mich auf
der Welt sein“. Auf meine Frage, ob die Musik
und ihre Karriere dann die zweite Geige spielen,
hat sie auch ganz ehrlich eine Antwort:
„Singen war und ist für mich das Größte. Daran
wird sich auch nichts ändern, außerdem
habe ich ja auch bis 2015 Verträge unterschrieben,
ich könnte gar nicht einfach aufhören.
Dennoch werde ich versuchen, dem Kind die
bestmögliche Mutter zu sein, die ich sein kann
– und außerdem hat es dann ja auch Hunger
und ich muss ihm Essen kaufen können“, unkt
Diana lachend.
Es besteht kein Zweifel daran, dass die gebürtige
Günzburgerin mit jeder Faser ihres
Herzens an ihrem Beruf hängt. Wie viele erfolgreiche,
berufstätige Frauen versucht sie
Job, Familie und Karriere unter einen Hut zu
bekommen. Sie will dabei aber nichts erzwingen,
sondern hört auf ihre innere Stimme und
ihren Körper, der ihr Instrument und höchstes
Gut ist: „Wenn ich zu früh wieder anfange zu
singen, schade ich meiner Stimme und allen
weiteren Engagements. Die Hormone haben
wesentlich Einfluss auf die Stimme, ich weiß
nicht, was nach der Geburt passiert. Wenn
ich das Gefühl habe, ich bin nicht in Balance
und noch nicht soweit, werde ich auch Engagements
absagen! Ich habe immer auf meine
physische und psychische Gesundheit geachtet,
beim Singen, Sprechen und auch beim Feiern.
In unserem Beruf muss man achtsam mit
sich umgehen“, so Diana weiter. Wenn man
das alles so hört, hat man ganz stark das Gefühl,
einen aufgeräumten Menschen vor sich
zu haben, der trotz hochfliegender Pläne, die
fast alle wahr geworden sind, auf dem Boden
der Tatsachen geblieben ist und sich den Blick
dafür, was wichtig ist, bewahrt hat. Daher verwundert
mich auch die Antwort nicht, die mir
Diana auf meine Frage, was sie sich für ihre
private und berufliche Zukunft wünsche, gibt:
„Privat wünsche ich mir Gesundheit, Frieden,
Liebe, Glück und gegenseitige Unterstützung.
Und beruflich möchte ich Dinge tun, an denen
mein Herz hängt, die zu mir gehören“.
Das Interview mit Diana Damrau führte Leporello-Chefredakteurin Susanna Khoury.