Seit ihrem Vorsingen beim Experimentalstudio Freiburg vor vier Jahren wird die Sopranistin Silke Evers als Luigi Nono-Spezialistin hoch gehandelt. Am 30. und 31.Juli ist sie mit Nonos Prometeo bei den Salzburger Festspielen zu Gast. Im September dann bei den Berliner Festspielen - immer mit Ingo Metzmacher am Dirigentenpult. Und im März 2012 wird die Würzburger Theaterpreisträgerin 2010 mit Nonos „Al gran sole carico d´amore“ noch einmal in der Staatsoper Berlin auftreten.
„Neue Musik hat mich bereits im Studium in Köln interessiert“, erzählt die aufgeschlossene Rheinländerin. „Heute ist es fester Bestandteil des Lehrplans“, betont die Professorin für Gesang in Mainz. Ihre Studenten mit Hauptfach Gesang müssen nicht nur „schön“ singen können, sondern auch alles andere, was mit der Stimme möglich ist, beherrschen. Luigi Nono (1924- 1990) wollte, wie er selbst sagte, mit seinem Prometeo (Tragödie des Hörens) das Ohr aufwecken. Seine Experimentierprozesse mit Live-Elektronik entziehen sich jeglichen Hörgewohnheiten und jeglichem musikalischen System. Die Musik des gebürtigen Venezianers hangelt sich von Klanginsel zu Klanginsel und schweigt sich bisweilen völlig aus, auch die eingebauten Hölderlintexte geben nicht wirklich Orientierung. Der italienische Komponist ist in der Sparte Neue Musik mit seinem ganz eigenen Stil richtungsweisend. Silke Evers, seit 2003 festes Ensemblemitglied am Würzburger Mainfranken Theater, mag die Neue Musik, weil sie Freiheit gibt.
„Man muss keine Erwartungen erfüllen, nur die eigenen“, betont die Mutter eines dreijährigen Sohnes. Potenzial zu haben, sei auch bei Stücken der Neuen Musik wichtig, sagt Evers, aber „schön“ singen nicht ausschlaggebend. Im Februar ist sie bereits für einen Nono in Berlin eingesprungen und bei der Generalprobe mit den Symphonikern habe sie das erste Mal so etwas wie Lampenfieber verspürt. „Das war eine schlimme Probe für mich… vier Minuten a capella und alle hörten hin, was die hochgelobte Kleine so macht… Es hat natürlich alles bestens geklappt. Nicht zuletzt, weil die Sängerin, die ihre Karriere als Soubrette am Würzburger Haus begann, durch eine gute Schule gegangen ist und darüber hinaus auch nicht untätig war. „Das Niveau in Würzburg ist nicht ohne“, so Evers. „Gleich in meiner ersten Spielzeit durfte ich die Gilda (Rigoletto) singen, dann die Musetta (La Bohème) und gleich darauf die Pamina (Die Zauberflöte). Alle Sopranistinnen wollen die Pamina singen, Silke Evers auch.
Das Schwierige an
dieser Rolle ist, dass die Erwartungshaltung
des Publikums immens
groß ist, da fast jeder die
Partie schon mehrfach gehört und
gesehen hat – auf CD, im Fernsehen
und auf der Bühne. „Das erhöht
wahnsinnig den Druck“, sagt
Evers. „Man hat immer Bedenken,
die Hörgewohnheiten des Publikums
zu enttäuschen, das kann
einem bei der Neuen Musik so
nicht passieren, da gibt es keine
Hörgewohnheiten!“ Und obwohl
Evers die Neue Musik schon sehr
liebt, möchte sie diese nicht ausschließlich
bedienen. „Ich liebe
Mozart, Strauss, aber auch Bellini.
Mein Hobby sind Lieder und
mit meiner Pianistin Wiebke
tom Dieck toure ich auch durch
die Gegend (Lieder-CD „getroffen“
2007).“ Vielseitig sein und
bleiben ist das Motto der ehrgeizigen
Musikerin, die es schätzt,
ein Stammhaus zu haben, aber
sich auch gerne mal außerhalb
beweist. „Wenn man mich fragen
würde, ob ich an der Met sänge,
würde ich nicht „Nein“ sagen“,
lacht Evers, dennoch fühle ich
mich hier sehr wohl, mit meinem
kleinen Sohn und meinem Mann,
der Geiger am Würzburger Haus
ist. Da müsste schon etwas ganz
Großes kommen...
INFO: Am 30. und 31. Juli wird Silke Evers bei den Salzburger Festspielen ihr Debüt geben. Auf dem Programm steht Luigi Nonos Prometeo.