Ab 20. Juli: „New Romantics“ im Museum Schlösschen im Hofgarten in Wertheim

von mp (erschienen in Ausgabe 07/2024)

„Eine Erklärung des Worts romantisch kann ich Dir nicht gut schicken, weil sie 125 Bogen lang ist“, schreibt Friedrich Schlegel 1797 in einem Brief an seinen Bruder Wilhelm. Was also ist Romantik? Und wie erklärt sich die in den letzten Jahren intensiv betriebene Suche nach einem gemeinsamen geistigen Band des frühen 18. und frühen 21. Jahrhunderts?

In der von Marc Peschke gemeinsam mit der Frankfurter Galerie Greulich für das Museum Schlösschen im Hofgarten initiierten und kuratierten Ausstellung „New Romantics“ wird deutlich, dass es ein Kennzeichen der neuen Neoromantik ist, die Distanz und den Zynismus, der sich in zeitgenössischer Kunst so oft spiegelt, zu überwinden. Der Mensch und vor allem auch die Darstellung von Natur rücken in den Mittelpunkt der Arbeit zeitgenössischer Künstler und Künstlerinnen.

Diese Rückkehr der Natur ist auch im Zusammenhang mit einer seit den späten 60er Jahren immer stärker formulierten Fortschritts- und Wachstumskritik zu sehen. Dabei geht es in den Landschaftsdarstellungen dieser Tage nicht darum, Idyllen alter Zeiten zu rekonstruieren. Viele dieser Bilder sind als eine kritische Reflektion der Lage unserer Gesellschaft zu interpretieren. Diese Kunst versteht sich als eine ästhetische Übertragung des Verhältnisses zwischen Mensch und der ihn umgebenden Natur: Landschaft als Vexierbild sozialer und politischer Wirklichkeit.

Es ist gerade dieser nur scheinbare Widerspruch zwischen formaler Rückbesinnung und dem Einfordern eines aktuellen inhaltlichen Bezugs, von dem viele der gezeigten Kunstwerke aus Malerei und Fotografie leben. Wir sehen hier: Der romantische Geist ist widersprüchlich. Formbewahrend, formauflösend, sich stets verwandelnd, schwärmerisch, aber auch ironisch. Wir fragen: Was bedeutet Romantik, Postromantik im 21. Jahrhundert? In Zeiten von Digitalisierung, Krieg und Krisen?

Wir sehen abgründige Idyllen, Paralleluniversen, Wildnis, unscharfe Erinnerungsbilder, Zitate aus der Kunstgeschichte, doch wenige Bilder, die in die Vergangenheit weisen, sondern vor allem in eine Zukunft, die ungewiss geworden ist. Es gibt keine Beständigkeit mehr. Alles ist aus den Fugen – das ist der Tenor der neoromantischen Malerei, doch der Wunsch nach Ordnung, nach Intimität, nach Geborgenheit, der ist immer noch da.

Mehr noch: Die Sehnsucht danach muss in Zeiten wie diesen stärker werden – und das 2006 als Museum wiedereröffnete Schlösschen im Hofgarten bildet schon durch seine Rokoko-Architektur den idealen Rahmen für eine solche Gruppenausstellung. Der intime Rahmen und die vergleichsweise kleinen Kabinette können eine solche Sehnsucht wunderbar erfüllen und abbilden.

In dieser Ausstellung geht es um die Fortdauer, um das sich Fortschreiben romantischer Ideen in der Kunst der Gegenwart. Um die Verbindung der inneren Welt, von Gefühlen und Gedanken des Individuums mit der äußeren Welt der Natur und der Geschichte.

Weitere Aspekte sind das Sublime und das Erhabene, Eskapismus, Surrealismus, Symbolismus und Allegorie, nationale Identität und Folklore, Mystik und Spiritualität. Um Beispiele aus der Ausstellung zu nennen: Bei Sebastian Meschenmoser ist der Astronauten ein romantischer Held in einer fremden, erhabenen Umgebung, bei Tessa Wolkersdorfer ist Landschaft und Licht Ausdruck des Emotionalen oder „Jenseitigem“. Jan Schmelchers Eskapismus äußert sich dagegen im Interesse an der pop- und subkulturellen Vergangenheit. Auch Anna Lehmann-Brauns Werk stellt sich als Eskapismus dar: als romantisches Sehnen nach dem Anderen.

In Zeiten großer Verunsicherung fragen wir nach Bildern, die Zuflucht gewähren, welche die Sehnsucht nach Schönheit, nach verlorenen Paradiesen, nach Märchenbildern zulassen, die aber auch die Widersprüchlichkeit, ihr eigenes Scheitern ausstellen. Vieles ist brüchig in diesen Idyllen, abgründig, unheimlich. Und das ist ja auch der Kern romantischer Kunst: Düsternis, Subversion, Bedrohung, Illusion, Mystik, Einsamkeit, Weltflucht, Entgrenzung – man denke an die Schöpfungen von E. T. A. Hoffmann, Philipp Otto Runge, Caspar David Friedrich oder Johann Heinrich Füssli. Die Träume sind zerbrochen, doch wir träumen weiter: New Romantics.

Bildnachweis: courtesy Galerie Greulich

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